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Wie man einen Corona-Impftermin ergattert

Die Kassenärztliche Vereinigung hat sich gekümmert und so ist es möglich geworden, dass man in derzeit 4 Bundesländern seinen Impftermin per Web-Applikation buchen kann. Die tücke liegt im Detail.

In Hamburg warten die impfwilligen Senioren über 80 seit dem 27. Dezember auf einen Brief des Senats. Dieser hat nämlich versprochen, dass die Einladungen zur Impfung zügig verschickt werden. Allgemein ist man in der Hamburger Bevölkerung der Meinung, die wesentliche Hürde sei genommen, wenn erstmal der Brief vom Senat angekommen sei. Aber weit gefehlt: Damit beginnt der Kampf um den Impftermin erst. – In dem Brief steht nämlich nichts weiter als eine Telefonnummer und eine Webadresse: www.impfterminservice.de – Hier soll man dann seinen Termin bekommen.

Um einen Termin zu bekommen, muss man das 80ste Lebensjahr vollendet haben, ein Risikopatient sein oder diese pflegen und das Ganze muss man nun auf der Website mit einem Klick bestätigen. (Eigentlich überflüssig: Schließlich hat man ja wegen eben dieser Kriterien einen Brief bekommen.) Anschließend hinterlegt man eine E-Mailadresse und eine Handynummer, um die Emailadresse das erste Mal zu bestätigen.

Dann wird’s richtig lustig: Man erhält einen »Vermittlungscode« per Mail und darf nun versuchen, einen Termin zu buchen. (Geht zwar auch telefonisch, ist aber genauso fruchtlos und arbeitsreich wie die Web-Lösung) Da der „Vermittlungscode“ eigentlich nichts bedeutet – außer, dass man sich gekümmert hat – und die Site ja auch allgemein zugänglich ist, wurde also noch keine Auswahl getroffen und eine Warteschlange wird auch nicht gebildet. Man klickt also immer wieder von neuem auf einen Link und dann auf den nächsten Link – probiert es mit „refresh“ und „Neustart“; klickt und klickt und erfährt nach jedem Durchklicken, dass es zur Zeit keine Termine gibt, man es später aber unbedingt wieder versuchen soll; es würden fortlaufend neue Termine freigeschaltet. Zwischendurch gibt es dann auch mal Fehlermeldungen und Countdowns; aber das ändert am Prozedere nichts: Es gibt keine Warteschlange, das System merkt sich keine Absenderdaten; man beginnt immer wieder von vorn.

Man muss übrigens diesen Klickmarathon für jeden einzelnen Patienten durchführen. Termine für zwei Personen dürfen nicht gemacht werden. Rentnerpaare haben somit kaum eine Chance, sich gemeinsam im Impfzentrum in den Messehallen spritzen zu lassen.

Irgendwann (bei mir war es am Nachmittag und nachdem ich etwa 12 Stunden lang im 10-Minuten-Takt geklickt habe) standen dann plötzlich Termine zur Verfügung. Jetzt musste man auch endlich persönliche Daten eingeben. Freudestrahlend klickt man also auf »Termin buchen« und siehe: Es folgt die Meldung »Termin ist bereits vergeben« – Offenbar haben also mehrere Personen und Sachbearbeiter zeitgleich Zugriff auf die Termine. Jetzt heißt es Beeilen! Es gibt ja neben dem verpassten Termin auch noch andere, spätere!

Man muss nun zwar nicht mehr seine Daten angeben (die werden – endlich! – automatisch vom System eingefügt), aber die immer noch sichtbaren Termine werden rasend schnell vergeben und sekündlich weniger!

Da die meisten Konkurrenten oben – bei den frühen Terminen – anfangen, sollte man besser gleich ein paar Tage nach hinten springen und sein Glück dort versuchen. – Aber so schlau sind die anderen natürlich schon lange und auch weiter unten klickt man ein ums andere Mal vergebens. – Wenn man jetzt entscheidende Sekunden verschwendet hat, weil man keine Autofillfunktion benutzt hat, dürfte dies in der Regel das Aus in dieser Runde bedeuten! Dann heißt es: Zurück auf »Start« Und ab in den Klickmarathon-Modus ohne Warteschlange!

Wenn der Kampf gegen die unsichtbaren Terminfresszellen aber erfolgreich war, bekommt man endlich eine Bestätigung mitsamt dem Hinweis, man habe auch noch den zweiten Termin zu buchen. (Selbstverständlich – sicher ist sicher – erst nachdem ein zweites Mal die Emailadresse bestätigt wurde.)

Jetzt endlich sind die persönlichen Daten auch zugeordnet und endlich passiert das, was man eigentlich bereits nach dem Brief erwartet hätte: Es gibt jetzt eine Warteschlange und man bekommt einen passenden Termin vorgeschlagen. (Je nach Impfstoff muss ja eine bestimmte Zeitspanne zwischen den Terminen liegen) Auch hier muss man natürlich ein drittes Mal die E-Mail-Adresse verifizieren. – Aber dann ist man tatsächlich durch mit dem Thema und endlich – endlich! – ist der Weg frei zur Impfung!

Vor der Impfung im wirklichen Leben –  im real life, wie der Fachmann sagt – wird dann selbstverständlich überprüft, ob man überhaupt berechtigt ist, geimpft zu werden. Hierfür muss man – NEIN: keine weitere Emailbestätigung mitbringen und auch der Brief vom Senat nützt hier gar nichts – man muss einen Personalausweis vorlegen. Wenn man sich vertan hat („Reinigungskraft im Altenheim ist aber keine Betreuung, meine Gute!“) oder wenn man gelogen hat („Nö, Sie hatten am Tag der Terminvergabe noch nicht Geburtstag!“) wird man – Recht muss Recht bleiben! – ungeimpft nach Hause geschickt.

Und dann geht es in die nächste Runde der fröhlichen Klickmeisterschaft! (Die Programmierer haben das ernsthaft intern „verification challenge“ genannt!)

Dass es auch anders geht, hat im letzten Jahr die Investitionsbank Berlin bei der Ausschüttung der Soforthilfen gezeigt: Anstellen an der virtuellen Schlange, die 50- oder 100-Tausend Leute vor einem abwarten und eine Meldung bekommen kurz bevor man dran ist. Dann in aller Ruhe das Formular ausfüllen und zwei Tage warten. Und schon war das beantragte Geld überwiesen. Aber damals ging es ja auch um das Überleben der Wirtschaft und nicht um lästige Bürger, die im Besitz ihrer „Gesundheitskarte“ eh nur sterben werden.

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